„Alle jammern – keiner handelt: Warum der Mittelstand oftmals im Vertrieb Unterstützung verweigert“
- Holger Klein

- 11. Sept.
- 3 Min. Lesezeit
In Gesprächen mit mittelständischen Unternehmern höre ich in diesen Monaten häufig denselben Grundton: „Die Wirtschaft läuft schlecht, unsere Umsätze stagnieren, die Bürokratie erdrückt uns, die Zölle belasten den Export.“ Kurz: Es wird viel gejammert. Und ja, die Rahmenbedingungen sind alles andere als einfach. Doch was mich als Berater immer wieder erstaunt: Kaum jemand ist bereit, sich aktiv Unterstützung für einen Wechsel zu holen – vor allem nicht im Vertrieb.
Stattdessen erlebe ich häufig das Bild eines Autofahrers, der ein Hindernis auf sich zukommen sieht – und noch einmal aufs Gaspedal tritt. Man hofft, irgendwie noch vorbeizukommen, anstatt rechtzeitig die Richtung zu ändern. Jammern, Lamentieren und Aussitzen ersetzen kein Handeln. Gerade jetzt wäre die Zeit, den Vertrieb neu aufzustellen und proaktiv die Zukunft zu gestalten.

1. Vertrieb ist Identität
Im Mittelstand ist Vertrieb traditionell Chefsache. Viele Unternehmer haben den ersten Kunden selbst gewonnen, die entscheidenden Beziehungen persönlich aufgebaut. Vertrieb ist Teil der Gründungsgeschichte – und damit auch Teil der Identität. Beratung in diesem Bereich fühlt sich deshalb schnell wie Kritik an der eigenen Lebensleistung an. Wer hier von außen kommt, stößt oft auf Abwehrhaltung: „Das brauchen wir nicht, wir kennen unsere Kunden am besten.“
Doch genau in dieser Nähe zum Geschäft liegt auch eine Gefahr: Betriebsblindheit. Wer immer nur aus der eigenen Perspektive denkt, übersieht Chancen, Märkte und systematische Schwachstellen. Oder um es mit den Worten von Henry Ford auszudrücken: "Wer immer nur das tut was er immer getan hat, bekommt das, was er immer bekommen hat."
2. Angst vor Standardrezepten
Viele Mittelständler fürchten, dass externe Berater nur mit PowerPoint-Schablonen und Standardmodellen arbeiten. „Unsere Branche ist speziell, unsere Kunden sind anders“, höre ich häufig. Diese Skepsis ist nachvollziehbar – und sie ist berechtigt, wenn Berater tatsächlich mit Konzepten von der Stange kommen. Doch gute Vertriebsberatung funktioniert anders: Sie beginnt mit Zuhören, versteht die Eigenheiten des Geschäfts und entwickelt daraus individuelle Lösungen.
3. Kurzfristiges Denken – und die Krise als Treiber
Ein weiteres Muster: Solange die Auftragsbücher gefüllt sind, wirkt Vertriebsberatung wie ein unnötiger Luxus. Viele Unternehmen leben lange Zeit von Bestandskunden, Empfehlungen und stabilen Netzwerken. Doch sobald die Wirtschaft schwächelt, Aufträge ausbleiben oder der Wettbewerb härter wird, wird klar: Wir hätten uns früher darum kümmern sollen.
Das Problem: In Krisenzeiten wird die eigene Handlungsfähigkeit enger, Budgets schrumpfen und der Mut für Investitionen schwindet. Vertriebsberatung wird dann als Kostenfaktor gesehen – obwohl sie gerade dann den Unterschied machen könnte.
4. Die Investitionsfrage
Während sich Maschinen, IT-Systeme oder Produktionslinien relativ leicht bewerten lassen, bleibt der Nutzen von Vertriebsberatung oft abstrakt. Was bringt ein neues CRM? Was bewirken strukturierte Prozesse oder ein Coaching für das Vertriebsteam? Diese Unsicherheit führt dazu, dass man lieber gar nichts macht. Doch Stillstand ist in einem sich wandelnden Marktumfeld der gefährlichste Schritt von allen.
5. Kultur und Emotionen
Vertrieb ist mehr als Zahlen, Prozesse und KPIs – es ist Emotion. Beziehungen zu Kunden, das gemeinsame Feiern von Erfolgen, das Durchstehen von Niederlagen. Wenn Berater hier auftreten, entsteht schnell der Eindruck: „Die wollen uns unsere Kultur wegnehmen.“ Dabei ist es genau umgekehrt: Ein neutraler Blick von außen kann helfen, blinde Flecken aufzudecken und vorhandene Stärken noch besser nutzbar zu machen.
Fazit: Jammern hilft nicht – Handeln schon
Machen wir uns ehrlich: Die wirtschaftliche Lage wird nicht morgen von allein einfacher. Bürokratie verschwindet nicht, Zölle bleiben, und die globale Konkurrenz schläft nicht. Wer also nur klagt und auf Besserung hofft, fährt sehenden Auges gegen die Wand.
Jetzt ist die Zeit, im Vertrieb den entscheidenden Unterschied zu machen: Strukturen aufbauen, Prozesse optimieren, Teams befähigen, Kundenpotenziale systematisch erschließen. Externe Beratung ist kein Angriff auf die eigene Leistung, sondern ein Katalysator, um schneller und zielgerichteter voranzukommen.
Meine Erfahrung zeigt: Die erfolgreichsten Projekte entstehen dort, wo Unternehmer den Mut haben zu sagen: „Wir sind gut – aber wir wollen besser werden.“ Diese Ehrlichkeit ist der erste Schritt, um vom Reagieren ins Agieren zu kommen. Denn Jammern kostet Energie – Handeln bringt Wachstum.




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